Unser offener Brief an die Bürgermeister*innen und den Rat der Stadt angesichts der geplanten Haushaltskürzungen.
Benennen Sie Einsparziele! Nicht im Haushalt, sondern im CO₂-Budget der Stadt.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Martin Horn,
sehr geehrte Frau Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik,
sehr geehrter Herr Finanzbürgermeister Stefan Breiter,
sehr geehrter Herr Baubürgermeister Martin Haag,
sehr geehrter Herr Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach,
sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderats,
wir stehen mit mehr als 560 Unternehmen und Organisationen hinter den Forderungen von Fridays for Future für Freiburg. Im September 2019 haben wir gemeinsam mit Fridays for Future die größte Demonstration in der Geschichte Freiburgs organisiert, im Sommer vergangenen Jahres mit mehr als 50 Menschen die Forderungen der Freiburger Fridays überarbeitet. Anfang November haben wir diese persönlich Herrn Horn und Frau Stuchlik übergeben. Vor diesem Hintergrund wenden wir uns heute mit einem dringenden Appell an Sie.
Wir sind in wachsender Sorge um die Zukunft Freiburgs. Ungläubig verfolgen wir derzeit die Haushaltsverhandlungen des Rates der Stadt und sind fassungslos über die jüngsten Äußerungen unseres Oberbürgermeisters.
Machmal sagt dabei ein Bild mehr, als tausend Worte. Eine Übersicht der Freiburger Greenpreace-Gruppe zeigt, was sich im Rat der Stadt anbahnt:

Was passiert hier? Es gilt, die neuen Elektrobusse der VAG zu finanzieren. Die Idee: Das Geld wird drei klassischen Feldern des Klimaschutzes entzogen. Verkehrswende und Klimaschutz werden gegeneinander ausgespielt.
Welcher Geist ist da am Werke? Wir fürchten, dass es genau jener Geist ist, den Herr Horn, anlässlich der Einführung der Prüfung der Klima- und Artenschutzrelevanz von Beschlussvorlagen im Januar vor dem Rat der Stadt beschworen hat:
„Wir werden auch weiterhin klimaschädliche Entscheidungen treffen, weil es oft Zielkonflikte gibt. Aber wir werden in den kommenden Jahren deutlich mehr über Nachhaltigkeit und Klimaschutz reden.“
In anderen Worten sagen Sie damit: Es ist alternativlos, die Klimafolgen unseres Handelns hintenan zu stellen, das Pariser Klimaabkommen zu unterlaufen und die Klimakatastrophe weiter zu befeuern – gewöhnen wir uns daran! Und wenn wir genug darüber reden, gelingt uns das auch.
Das ist ein Schlag ins Gesicht der über 30.000 Menschen, die im September 2019 dem Ruf von Fridays for Future gefolgt sind – weil sie an einen gesellschaftlichen Umbau und Wandel glauben, sich für ihn engagieren und in aller Dringlichkeit herbeisehnen.
Im Oktober 2019 klang das noch ganz anders. Damals erkannte die Stadt im "Klima- und Artenschutzmanifest" die Eindämmung des Klimawandels und des Artensterbens als ihre wichtigste Aufgabe:
"Gleichwohl ist die Stadt Freiburg angesichts der dramatischen Situation in tiefer Sorge und anerkennt die Eindämmung des Klimawandels und des Artensterbens als wichtigste Aufgabe ihres Handelns und richtet alle ihre Entscheidungen auf die Erreichung dieser Zielsetzungen aus."
FREIBURG, WOHIN GEHST DU?
Wie werden wir unserer wichtigsten Aufgabe gerecht? Wo im aktuellen Entwurf zum Doppelhaushalt manifestiert sich die gewonnene Überzeugung und Haltung? Wir können keinen grundlegenden Klima-Impuls erkennen, der die Haushaltsberatungen leitet.
Wann beginnen wir damit, "Zielkonflikte", wie Sie, Herr Horn, es nennen, nicht nur zu benennen, sondern auch auszutragen? Wann bringt die Stadt den Mut auf, den es braucht, um einen glaubwürdigen und transparenten Umbau in Richtung einer klimagerechten Zukunft anzustoßen?
Wann, wenn nicht jetzt? Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Bürgermeister*innen und Gemeinderatsmitglieder, inständig: Übernehmen Sie die Führung! Gleich jetzt, in der Schlussphase der Haushaltsberatungen, als ein Paukenschlag und ein klares Bekenntnis zur grundlegenden Umorientierung auf ein klimagerechtes Freiburg.
WAS GESCHEHEN MUSS
Wir brauchen rasches, zukunftsorientiertes und weitreichendes Handeln.
Doch unverändert mangelt es an transparentem und entschiedenem Handeln, das nur annähernd dem Ausmaß der Klimakrise gerecht wird. Von grundlegender Neuorientierung fehlt bisher jede Spur. Wenn wir im "business as usual" stecken bleiben, sind wir verloren.
Freiburg handelt noch zu kleinteilig und benennt keine klar definierten übergeordneten Sektorenziele, die bereits jetzt Tag für Tag, Monat für Monat und Jahr für Jahr überprüft und transparent verfolgt werden müssten.
Konkret heißt das:
- Keine Reduktion bestehender Klimaschutz-Ausgaben
Elektrische Busse dürfen nicht als Grund für die Kürzung anderer klimarelevanter Haushaltsposten herhalten.
Es gibt einen Ausweg aus dem Dilemma, den die Fridays bereits in ihren Forderungen aufzeigen:
Wir fordern von unserem Oberbürgermeister Martin Horn, dass er die Führung für den klimaneutralen Umbau unserer Stadt übernimmt. Der Klimaschutz muss weiter massiv vorangetrieben werden. Hierfür fordern wir in Zukunft 100% der Konzessionsabgabe der Badenova für den Klimaschutz.
Einsparungen sind gut und wichtig: Im CO₂-Budget der Stadt! Aber nicht im Bereich der Ausgaben für ein klimagerechtes Freiburg.
- Einsparziele offenlegen
Unsere zentrale Forderung steht seit der Fortschreibung des Klimaschutzkonzepts im Januar 2019 im Raum. Wir warten in dieser grundlegenden Frage noch immer auf eine Antwort der Stadt. Als ersten Schritt
muss die Stadt Freiburg CO₂ - Einsparziele (in Kilogramm pro Jahr pro Einwohner*in) für die Jahre 2021 bis 2030 benennen und dabei offenlegen, in welchen Sektoren die Reduktionen erfolgen sollen – unter Festlegung konkreter Vorgabeziele für jeden Sektor und für jedes Jahr.
- Im Haushalt Mittel für die Kursbestimmung einplanen
Wir sind es müde, von "Leuchtturmprojekten" und Rechenmodellen zu hören, während wir von der Stadt gleichzeitig erfahren, dass sie technisch und personell nicht einmal in der Lage ist, die Berechnung verbindlicher und konkreter Einsparpotentiale vorzunehmen.
Wir müssen JETZT handeln! Dafür brauchen wir Zahlen, Daten und Fakten über das ganze Ausmaß des Dilemmas. Dies ist eine zentrale Aufgabe der kommenden Wochen, Monate und Jahre. Bitte planen Sie das in den Haushalt ein und legen Sie endlich los!
Wir werden die anstehenden Herausforderungen nur lösen, wenn wir Klimagerechtigkeit in den Mittelpunkt städtischer Politik stellen.
Wir sind an einem offenen, ehrlichen und direkten Dialog über die Grundlagen und Potentiale eines klimagerechten Freiburg interessiert und stehen hierfür jederzeit gerne zur Verfügung, werden von nun an aber auch immer nachdrücklicher für die Einhaltung der Klimaschutzziele einstehen.
Mit freundlichen Grüßen
Clara Sommer & Dirk Henn
(Vorstand Klimaaktionsbündnis Freiburg e.V.)
PS: Die im Brief hervorgehobenen Bestandteile sind allesamt Passagen aus den aktuellen Forderungen der Fridays for Future für Freiburg.